Memory Lost

2010, eine musikalisch-theatrale Performance
Konzept, Regie: Markus Wolff, Martin Schütz. Mit Graham F. Valentine und Julia Schmidt und Livemusik von Martin Schütz und Beni Weber, Video: Max Philipp Schmid, Bühne und Licht: Guillaume Cousin, Kostüme: Bozena Civic, Dramaturgische Mitarbeit: Suzanne Zahnd, Produktionsleitung: Barbara Stocker

Fragmentarisch, in nicht chronologischer Abfolge erinnert sich ein Paar an seine möglicherweise längst beendete Beziehung. Entlang ihrer Geschichte verschmelzen und überlagern sich fremde und eigene Erinnerungen – unzuverlässig, in stetiger Bewegung.

Videoeinspielungen sowie die Kompositionen, Lieder und Improvisationen von zwei Live-Musikern verdichten das Geschehen zu einem nicht abreissenden Fluss. So überträgt sich das Sprunghafte, Ungefilterte, Anarchistische von Erinnerungsvorgängen in die musikalisch-theatrale Performance MEMORY LOST.

Die Videoprojektionen in „Memory Lost“ repräsentieren eine eigenständige Sicht der Dinge, die sich auf der Bühne abspielen. Die Schauspieler und Situationen sind dieselben, der Charakter der Handlungen und Aktionen divergiert aber immer wieder. Wartet eine Figur auf der Bühne z.B. entspannt und selbstversunken auf etwas, so zeigt das Videobild sie in einem Zustand höchster Anspannung. Verhaltene Bühnen-Dialoge werden begleitet von expressiven Bildern der Beiden.

Der Totalen der Theaterbühne setzen die Videobilder Grossaufnahmen entgegen, die das Paar zugleich physischer als auch dünnhäutiger zeigen. Die Projektionen funktionieren wie seelische Röntgenbilder, die die Figuren mit einem anderen Interesse verfolgen, als dies aus dem Zuschauerraum möglich ist. Dabei wird aber stets die Subjektivität der Bilder betont, so dass sie nicht als „Wahrheit“ sondern als Behauptungen dem Bühnengeschehen entgegengestellt werden.
Durch die Differenz der Videobilder zum Bühnengeschehen stellt sich die Frage nach der „richtigen“ Sehweise. Beide Ebenen zeigen oberflächlich betrachtet dasselbe, evozieren aber unterschiedliche Interpretationen. Diese Verunsicherung in der Wahrnehmung der Figuren reproduziert ein Phänomen, das im Zusammenhang mit Erinnerungen geläufig ist; unsere Erinnerungen sind nicht stabil, d.h. sie verändern sich mit der Zeit und unter Einfluss anderer Beteiligter oder Aussenstehender. Sie sind immer ein Rekonstruktionsversuch, der nie vollständig korrekt sein kann und nie das „Original“ hundertprozentig trifft. So wie beim Erinnern das Bemühen um eine Re-Konstruktion im Zentrum steht, müssen hier die ZuschauerInnen den „wahren“ Zustand der Figuren aus der Bühnen- und der Videoperspektive erst konstruieren.